Das im April 2009 vom Bundestag verabschiedete Gendiagnostikgesetz regelt auch „Genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung“. Wer seine Vaterschaft feststellen lassen oder auch vor Gericht anfechten möchte, muss sich auf die Qualität des Abstammungsgutachtens verlassen können. Prof. Peter Schneider, Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln und neuer Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Abstammungsbegutachtung e.V. (DGAB): „Das Gesetz ist ein Fortschritt. Aber es muss darüber hinausgehend eine qualifizierte Fortbildung zum Fach-Abstammungsgutachter etabliert werden.“
Vor Gericht nicht anerkannt – und nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes eine Ordnungswidrigkeit, die für den Auftraggeber mit einem Bußgeld bis 5000 Euro belegt ist – sind heimlich veranlasste Vaterschaftstests. Neben der bereits vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verletzung der Persönlichkeitsrechte heimlich untersuchter Personen ist ein weiterer Grund einleuchtend: Wer sagt, dass die eingeschickte Probe wirklich vom vermeintlichen Kind ist? Wer kontrolliert die Qualität der Labore und die Kompetenz der Sachverständigen? Deshalb sind mit dem neuen Gendiagnostikgesetz nur noch Tests in Laboren zugelassen, die für diese Untersuchung akkreditiert sind. Das begrüßt Prof. Schneider, der im Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln laufend Abstammungsgutachten betreut und durchführt. Das Institut ist schon seit 2004 für alle rechtsmedizinischen Untersuchungen einschließlich der forensisch-genetischen Analysen akkreditiert.
Dennoch sieht Prof. Schneider eine Lücke im Gesetz: Die Sicherung der Qualifikation der Gutachter. Er fordert mit der Gesellschaft für Abstammungsbegutachtung festgesetzte und überprüfbare Standards in der Ausbildung mit einem Nachweis der praktischen und wissenschaftlichen Qualifikation für ärztliche und nichtärztliche Sachverständige, die mit einer Facharztausbildung vergleichbar sein sollte.
Dies ist umso wichtiger, weil der genetische Fingerabdruck mitunter nicht so eindeutig ist, wie die Allgemeinheit in Zeiten von Fernsehserien wie CSI vermutet. Bei der Abstammungsbegutachtung werden 12-16 paarig vorliegende Merkmale der DNA untersucht, von denen der eine Teil mütterlich und das Gegenstück väterlich vererbt wird. Sind alle Merkmale eines Kindes nun jeweils bei der Mutter und dem untersuchten Mann vorhanden, so ist das Ergebnis eindeutig: Der Mann ist der Vater des Kindes. Es kommt jedoch in einem von circa 50 Fällen vor, dass eines der Merkmale nicht beim untersuchten Mann vorliegt, denn DNA-Sequenzen können bei der Vererbung mutieren. Um dies zu erkennen und mit Hilfe geeigneter biostatistischer Verfahren beurteilen zu können, bedarf es aber des geschulten Blickes eines Gutachters. Umso mehr, wenn zwei oder drei Merkmale nicht übereinstimmen – haben wir hier womöglich einen nahen Verwandten, aber nicht den Vater? Schwierig wird es auch, wenn die Vaterschaft eines Verstorbenen festgestellt werden soll, denn hierbei müssen möglichst enge Verwandte dieses Mannes in die Untersuchung einbezogen werden, und es muss ein umfassendes Repertoire besonders informativer genetischer Merkmale eingesetzt werden.
Prof. Schneider: „Rein kommerzielle Labore, die nur im Internet aggressiv mit Billigpreisen werben, gehen über solche wichtigen Details oftmals großzügig hinweg. Aber an den Ergebnissen hängen Schicksale.“ Deshalb appelliert er auch an die Gerichte, nicht einfach das billigste Gutachten zu
nehmen, sondern die Qualität der Labore und die Kompetenz ihrer Gutachter genau zu überprüfen.
Die Behauptung, jedes fünfte bis zehnte Kind sei ein so genanntes „Kuckuckskind“ sieht Prof. Schneider von den Billiganbietern zu Marketingzwecken als zu reißerisch dargestellt: „Nach seriösen Schätzungen kann man von zwei bis maximal drei Prozent untergeschobenen Vaterschaften ausgehen. Selbst bei den von uns untersuchten Fällen – die also schon mit einem Verdacht zu uns kommen – liegt die Quote von Vaterschaftsausschlüssen bei nur fünf Prozent.“
Prof. Dr. Peter M. Schneider vom Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln wurde auf der Jahrestagung Ende Juni 2009 zum neuen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Abstammungsbegutachtung e.V. (DGAB)
gewählt. Als Fachgesellschaft hat es sich die DGAB zur Aufgabe gemacht, wissenschaftliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Erstattung und der Qualitätssicherung von Abstammungsgutachten zu fördern und zu nutzen. Prof. Schneider sieht derzeit seine wichtigste Aufgabe vor allem darin, im Zusammenhang mit dem soeben verabschiedeten Gendiagnostikgesetz durch ein verstärktes Ausbildungsangebot die
fachliche Qualifikation von Sachverständigen sicherzustellen. Dies soll insbesondere durch eine eigene Fortbildungsordnung geschehen, die eine Gelegenheit bieten wird, die Qualifikation eines „Fach-
Abstammungsgutachters“ zu erlangen.
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Prof. Dr. med. Peter Schneider
Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln
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Peter.schneider@uk-koeln.de
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07.07.2009
DNA lügt nicht
wenn der Gutachter qualifiziert ist