Eine Infektion mit SARS-CoV-2 führt bei einigen Menschen zu schwersten Entzündungen der Lunge und anderer lebenswichtiger Organe. Die Impfung gegen SARS-CoV-2 bietet einen sehr guten Schutz gegenüber diesen schweren Krankheitsverläufen. Zahlreiche Studien haben sich mit der Rolle der sogenannten erworbenen Immunantwort nach einer Impfung beschäftigt und konnten zeigen, dass zum Beispiel Antikörper nach der Impfung im Blut zu messen sind und diese dann über Monate hinweg weniger werden. Für das Auslösen einer potenten Immunantwort benötigen Impfungen jedoch zunächst die Aktivierung des angeborenen Immunsystems, das unspezifisch auf körperfremde Eiweiße von Viren oder Bakterien reagiert. Bisher war nicht bekannt, wie genau und wie lange die neuen mRNA-Impfstoffe die Zellen des angeborenen Immunsystems stimulieren. Forschende der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät fokussieren in einer neuen Impfstudie erstmals auf die Signalwege dieser Abwehrzellen und deren Auswirkung auf die erworbene Immunantwort. Die Ergebnisse wurden nun im renommierten Wissenschaftsjournal „EMBO Molecular Medicine“ veröffentlicht.
Die rasche Entwicklung von potenten Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 hat stark zur Eindämmung der Pandemie beigetragen. Zahlreiche Studien belegen den Schutz vor schweren Krankheitsverläufen und eine Reduktion der Ansteckungen durch eine vollständige Impfung. Insbesondere die potenten mRNA-Impfstoffe, die schnell zur Verfügung gestellt werden konnten, waren ein wichtiger Meilenstein für diese Entwicklung. Mittlerweile konnte relativ gut untersucht werden, wie lange der Impfschutz über eine Aktivierung des erworbenen Immunsystems anhält. Wichtig für eine möglichst langanhaltende und potente Wirkung einer Impfung ist zunächst jedoch die Aktivierung des angeborenen Immunsystems, welches das Zusammenspiel von verschiedenen Abwehrzellen anstößt und eine Gedächtnisfunktion im Immunsystem hinterlässt. Bei den meisten herkömmlichen Impfstoffen werden hierfür sogenannte Adjuvantien genutzt, Zusatzstoffe, die Zellen des angeborenen Immunsystems wie zum Beispiel Makrophagen anregen sollen. Bei mRNA-Impfstoffen fehlen diese klassischen Zusätze, und der Mechanismus, mit dem Abwehrzellen direkt nach der Impfung stimuliert werden, ist nicht bekannt. Hier setzt die Forschung der Arbeitsgruppe von Priv. Doz. Dr. Dr. Jan Rybniker an. „Wir konnten zeigen, dass die mRNA-Impfung im Blut zirkulierende Makrophagen sehr spezifisch über einen ganz bestimmten Signalweg anregt. Erst wenn diese Makrophagen mit dem Spike-Protein von SARS-CoV-2 in Kontakt kommen, erlaubt die Voraktivierung der Zellen die Ausschüttung entzündungsfördernder Botenstoffe und somit die Aktivierung von Abwehrzellen des erworbenen Immunsystems“.
Diese Voraktivierung der Blutzellen stellt auch eine Art Schutzvorrichtung der Zellen dar, bei der erst im Spike-Protein produzierenden Gewebe eine Entzündung entsteht und eben nicht für längere Zeit im ganzen Körper. Diese Entzündungsreaktion erfolgt dann am ehesten lokal begrenzt im Lymphknoten, in den diese Blutzellen einwandern können, so Rybniker, Leiter des Forschungslabors der Infektiologie an der Uniklinik Köln und Letztautor der Veröffentlichung. Die in der Studie beobachtete, sehr spezifische Reaktion auf das Spike-Protein ist für Abwehrzellen des angeborenen Immunsystems ungewöhnlich. Verantwortlich hierfür sind Spike-Protein bindende Rezeptoren auf der Oberfläche der Makrophagen. Diese Rezeptoren aktivieren nach der Impfung das zentrale Kontrollprotein SYK, welches zahlreiche entzündungsfördernde Prozesse in den Abwehrzellen aktiviert. Interessanterweise waren die beobachteten Effekte erst nach der zweiten Impfung besonders stark ausgeprägt. Aber auch die dritte Impfung (Booster) konnte noch Monate nach der Grundimmunisierung die Makrophagen reaktivieren. Im Blut vorliegende Makrophagen haben jedoch eine sehr kurze Lebensdauer von nur wenigen Tagen. „Anscheinend führt die Grundimmunisierung auch zu einer Gedächtnisfunktion in diesen kurzlebigen Zellen. Diese wichtige Erkenntnis ist für die mRNA-Impfung neu. Der zugrundeliegende Mechanismus könnte ebenfalls zu der starken Schutzwirkung, die wir durch die Booster-Impfung erzielen, beitragen“, berichtet Dr. Sebastian Theobald, Postdoktorand an der Uniklinik Köln und Erstautor der Studie.
Der in der Studie beschriebene SYK-Signalweg und die vorgeschalteten Rezeptormoleküle gelten schon seit längerer Zeit als ein möglicher und attraktiver Mechanismus, mit dem im Rahmen von Impfungen Zellen des angeborenen Immunsystems stimuliert werden könnten. Diese Theorie kann nun für die mRNA-Impfung, die ein sehr gutes Sicherheitsprofil aufweist, bestätigt werden. Die Ergebnisse können jetzt genutzt werden, um auch bei zukünftigen Impfungen ganz gezielt ähnliche immunitätsverstärkende Mechanismen zu aktivieren, zum Beispiel über entsprechende Adjuvantien. „mRNA basierte Therapien und Impfungen sind auf dem Vormarsch. Umso wichtiger ist es bereits jetzt, möglichst viele Informationen über die durch diese Medikamente ausgelösten Immunantworten zu entschlüsseln um deren Potential voll auszuschöpfen“ so Dr. Rybniker.
Interessanterweise scheint der SYK-Signalweg auch bei der schweren COVID-19 Erkrankung eine Rolle zu spielen. In einer früheren Studie konnte die Gruppe bereits ähnliche Einflüsse auf Blutzellen von COVID-19 Patienten nachweisen. Daher gilt SYK auch als ein möglicher therapeutischer Ansatzpunkt für immunmodulatorische Therapien bei schweren COVID-19-Infektionen. Klinische Studien mit entsprechenden Medikamenten werden bereits durchgeführt.
Diese vielschichtigen und aufwändigen Untersuchungen waren nur durch die Hilfe mehrerer Kooperationspartner möglich. „Unser Dank gilt daher allen Arbeitsgruppen und Forschern, die zum Erfolg der Studie beigetragen haben. Ganz besonders möchten wir uns bei den zahlreichen geimpften Personen bedanken, die uns ihr Blut für die Laborversuche zur Verfügung gestellt haben“, so Dr. Rybniker. Finanziert wurde die Studie unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Zudem wurde die Studie maßgeblich durch die Immunologie-Plattform COVIM unterstützt, einem Verbundprojekt zur Bestimmung und Nutzung von SARS-CoV-2 Immunität. COVIM ist Teil des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM). Das Netzwerk umfasst die gesamte deutsche Universitätsmedizin und fördert kooperative und strukturbildende Projekte, bei denen möglichst viele Universitätsklinika eingebunden sein sollen.
Originalarbeit: