Im Interview mit Jonathan Nagel, Projektleiter ORBIS, Schwerpunkt Telematikinfrastruktur

Jonathan Nagel hat sich bewusst gegen einen Job in der freien Wirtschaft entschieden. Er fühlt sich wohler damit, dass seine Arbeit Menschen zugutekommt und nicht großen Konzernen. Sei es durch die technische Unterstützung von Ärztinnen, Pflegern oder Hebammen. Oder durch die Möglichkeit, hier wissenschaftlich zu arbeiten, im Rahmen einer Doktorarbeit in der IT zum Beispiel. Denn auch in der Forschung sieht Jonathan Nagel das Potential, dass die daraus gewonnenen Zahlen und Auswertungen in der Zukunft etwas Positives bewirken können.

Wie sind Sie zur IT gekommen?

Ich habe mit 17 angefangen, mich als ehrenamtlicher Sanitäter zu engagieren. Die Gesundheitsbranche hat mich interessiert, ich wollte aber nie Medizin studieren. Ich habe dann Informatik im Bachelor studiert und hatte das Glück, dass meine Uni Medizin als Wahlmodul angeboten hat. Also Medizin für Nichtmediziner. Danach habe ich noch einen Masterstudiengang in medizinischer Informatik draufgesetzt. Bevor ich an die Uniklinik Köln gekommen bin, habe ich bereits ein paar Jahre in einem anderen Krankenhaus in der IT gearbeitet.

Warum haben Sie sich für die Uniklinik Köln entschieden?

Ich wurde von einem Headhunter angeschrieben, für Stellen bei Software-Herstellern. Mit denen hatte ich auch Gespräche, bin in der Zeit aber auf die ausgeschriebene Stelle der Uniklinik gestoßen. Wegen der Rahmenbedingungen hab ich mich für die Uniklinik entschieden. Ich hab gemerkt, dass ich mich an einer Uniklinik, wo Forschung und Lehre einen so großen Fokus haben, deutlich wohler fühle als in der Industrie. Wissen macht für mich nur Sinn, wenn es verbreitet wird. Dadurch, dass wir Forschung betreiben, können wir vielleicht in der Zukunft ganz vielen Menschen helfen. Als Mitarbeiter eines Universitätsklinikums kann man theoretisch später auch noch die Weichen in Richtung Doktorarbeit in der IT stellen. Diese Option gibt es in der Industrie da draußen so nicht.

Gab es noch weitere Faktoren, warum Sie nicht in die Industrie gegangen sind?

Softwarehersteller oder die großen Autobauer zahlen natürlich ein ganz anderes Gehalt und klar, da kann man auch schöne IT-Projekte umsetzen. Aber was habe ich da erreicht? Am Ende des Tages helfe ich, dass irgendwelche Großkonzerne ihre Gewinne steigern. Wenn ich mein IT-Wissen aber in einem Krankenhaus einbringe, sorge ich dafür, dass etwa Pflegekräfte, Ärzte oder Hebammen ihre Arbeit machen können. Dass die Menschenleben retten oder einem kranken Menschen helfen konnten. Darum arbeite ich lieber hier.

Jonathan Nagel, Foto: Michael Wodak

»Ich hatte die Wahl, ob ich in die Grundbetreuung des Krankenhausinformationssystems gehe oder mich auf die Telematikinfrastruktur spezialisiere, und ich habe mich für die Telematikinfrastruktur entschieden. Darüber bin ich bis heute froh, weil das meine Welt ist. So komplex es ist, ich fühle mich da einfach wohl. Ich bin die Schnittstelle zwischen den Anwendern und Anwenderinnen und dem Hardcore-ITler. Diese beiden Welten bringe ich zusammen.«

Beschreiben Sie doch mal Ihre Hauptaufgaben!

Morgens gucke ich als Erstes: Wie ist der Status der Hardware innerhalb der Telematikinfrastruktur? Ist heute Nacht irgendwas quer gelaufen oder abgeraucht? Dann müsste man entsprechende Feuerwehr- oder Krisenmethoden anwenden, um das Ganze wieder zum Laufen zu bringen. Wenn alles, wie an den meisten Tagen, normal aussieht, geht es darum zu gucken: Welche Wünsche von den Anwenderinnen und Anwendern gibt es? Kann ich die zügig umsetzen oder wird das ein größeres Projekt? Dort werden in Zukunft auch die elektronischen Heilberufsausweise ausgelesen, mit denen sich Ärzte authentifizieren können.

Ist IT für Sie eher Bürojob oder Feldarbeit?

Wenn man ein Modul neu in einer Fachabteilung oder in einer Ambulanz einführt, ist die Präsenz der IT und der Besuch am Campus direkt bei den Kollegen vor Ort gewünscht und bringt auch definitiv Vorteile. Für die alltägliche Betreuung kann man sich heutzutage mit entsprechenden Aufschalttools oder Spiegelungtools relativ gut auf die Rechner der Kollegen draufschalten und akute Probleme lösen. Das funktioniert sowohl aus dem Büro heraus als auch aus dem mobilen Arbeiten einwandfrei. Das mobile Arbeiten wurde an der Uniklinik ja schon 2021 als offizielles Pilotprojekt eingeführt. Also für die Verwaltungsbereiche, wo die IT dazugehört. Während Corona hat man dann gemerkt: Oh, das funktioniert ja. Als der Krisenmodus nach Corona beendet war, wurde das mobile Arbeiten dann relativ schnell in der finalen Fassung eingetütet. In der Verwaltung können wir jetzt bis zu 50 Prozent der Arbeitszeit mobil arbeiten.

Welche Momente schätzen Sie besonders an Ihrer Arbeit?

Wenn man etwas als Erster geschafft hat. Wir waren nachweislich das erste Uniklinikum in Deutschland, das die in der Zahnmedizin üblichen Heil- und Kostenpläne voll elektronisch hinbekommen hat. Das war eine kleine Herausforderung, das entsprechend vollständig bei uns in Betrieb zu nehmen. Da merkt man dann wieder, dass ein Universitätsklinikum doch eine andere Hausnummer ist, als kleinere Krankenhäuser oder Arztpraxen. Kolleginnen aus der Abrechnung, die sich mit den Kassen oder zahnärztlichen Vereinigungen unterhalten, haben mir berichtet, dass die sagen: »Sie schaffen das ja! Das schaffen wir hier noch nicht mal vollständig.« Das sind Momente, die mich begeistern und mich bestärken: Das ist der richtige Job und ich mache ihn gerne hier.

Was ist an der Uniklinik außergewöhnlich?

Wir haben außergewöhnliche medizinische Fälle, die auf uns zukommen. Außergewöhnliche Großprojekte, die wir in Bewegung setzen. Das ist dadurch möglich, dass wir untereinander eben auch alles außer gewöhnlich sind. Dass wir diese große Vielfalt auch unter den Mitarbeitern finden. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass dieses Große und Außergewöhnliche trotzdem zum Ziel kommt. Wenn Sie hier gewollt oder ungewollt ein IT-System abschalten, habe ich das Gefühl, dass die Auffangstrukturen besser funktionieren als anderswo. Hier ist es so: Krise? Okay, dann wechseln wir in den Krisenmodus und arbeiten nach diesem Modus weiter.

Jonathan Nagel, Foto: Michael Wodak

»Die große Chance an der Uniklinik ist, dass hier IT von A bis Z betrieben wird. Vom Rechenzentrumsbetrieb über klassische PC-Arbeitsplätze bis hin zur komplexen Spezialsoftware, die man nur zusammen mit entsprechenden Fachkollegen aus dem ärztlichen, pflegerischen oder verwaltungstechnischen Bereich zusammen aufbauen kann. Da ist ganz viel an Möglichkeiten da für den IT-Bereich.«

Sie haben erzählt, dass Sie ehrenamtlich als Sanitäter gearbeitet haben. Haben Sie das neben dem Beruf beibehalten?

Ich engagiere mich jetzt ehrenamtlich bei Evakuierungsmaßnahmen. Das ist hier in der Stadt Köln einfach ein heißes Thema, dass gerne mal wieder Überbleibsel von 1939/1945 gefunden werden. Nach Bombenfunden kommt es zu Evakuierungs- oder Räumungsmaßnahmen. Man muss die evakuierten oder geräumten Menschen verpflegen und betreuen. Diesen Sommer werde ich darum zum Beispiel auch einen Feldkochlehrgang besuchen. Das gibt mir persönlich den Ausgleich zum Job.

Lässt sich das gut mit dem Job vereinbaren?

Durch die Gleitzeit ist man an der Uniklinik flexibel genug, um sich nebenbei ehrenamtlich engagieren zu können. Wenn man entsprechende Überstunden gesammelt hat, kann man ganze oder halbe Gleittage nutzen. Oder wenn es wirklich zum Großeinsatz nach einem Bombenfund kommt, gibt es den juristischen Rahmen hier in NRW, um Freistellungen für den Einsatz zu kriegen. Da gibt es an der Uniklinik natürlich gar keine Diskussion darüber, dass man in den Einsatz geht und das in den Stunden verrechnet wird. Bei klassischen Industriearbeitgebern kann das schon manchmal zu Problemen führen.

Gibt es etwas, das Sie zukünftigen Kolleginnen und Kollegen gerne mit auf den Weg geben würden?

Sie sollten sich für die Gesundheitsbranche interessieren. Das eine oder andere ist ein bisschen außergewöhnlicher als das, was man sonst so von den klassischen IT-Dienstleistern kennt. Man sollte offen sein für Neues. In unserem Krankenhausinformationssystem ORBIS stehen zum Beispiel größere Veränderungen an. Wir möchten das Produkt selber noch mal neu aufwerten. Fürs komplette Haus. Da sollte man bereit sein, die eine oder andere neue Baustelle aufzumachen. Für alle, die schon aus der Gesundheitsbranche kommen und über das Standardmaß hinaus technisch-affin sind, gibt's auf jeden Fall auch gute Möglichkeiten hier. Es ist einfach ein großer Bonus, wenn man den Gesundheitsbranchen-Hintergrund hat und weiß, wie man dem Anwender oder der Anwenderin hilft.