Antimicrobial Stewardship (AMS)
Die Abkürzung AMS steht für "Antimicrobial Stewardship", darunter versteht man den verantwortungsvollen oder vorbildlichen Umgang mit antimikrobiellen Wirkstoffen. AMS-Programme im Krankenhaus sollen die Verordnungsqualität in Bezug auf die Auswahl der antimikrobiellen Substanzen, die Dosierung, die Applikation und die Therapiedauer verbessern. Patienten profitieren dadurch, dass so Nebenwirkungen vermieden, Infektionen effektiver behandelt und die Gefahr der Ausbreitung typischer Erreger von Krankenhausinfektionen verringert wird. Voraussetzung für den Erfolg von AMS-Programmen ist eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit.
An der Uniklinik Köln gibt es seit 2014 ein festes AMS-Team - seit 2019 geführt als Stabsstelle Antimicrobial Stewardship - mit Vertretern aus der Inneren Medizin/Infektiologie, der Krankenhausapotheke, der Krankenhaushygiene, der Medizinischen Mikrobiologie und der Kinderheilkunde. Dieses Team überwacht abteilungsübergreifend den Verbrauch von Antiinfektiva und die Ausbreitung multiresistenter Erreger. In regelmäßigen Untersuchungen wird die Verordnungsqualität in den Abteilungen überprüft und gemeinsam mit den Fachvertretern an Leitlinien zur Behandlung mit Antiinfektiva gearbeitet. In immer mehr Kliniken und Abteilungen führt das AMS-Thema gemeinsam mit den AMS-beauftragten Ärztinnen und Ärzten AMS-Visiten durch und erstellt Handlungsempfehlungen. Das AMS-Team stellt außerdem Schulungsmaterialien zur Verfügung und beschäftigt sich mit den immer wieder auftretenden Lieferengpässen von Antibiotika.
Seit November 2022 ist die Uniklinik Köln von der European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID) als Ausbildungszentrum für das Antimicrobial Stewardship Certificate anerkannt. Das Kölner AMS-Team ist damit eines von nur sieben benannten Zentren in ganz Europa.
Maßnahmen
Eine wichtige Grundlage der Arbeit des AMS-Teams sind die Antibiotika-Verbrauchsstatistik und die Resistenzstatistik. Die Experten beobachten den zeitlichen Verlauf und nehmen eine erste Einschätzung vor, wo sich Resistenzen oder der vermehrte Einsatz sogenannter „Reserveantibiotika“ häufen. Bei Auffälligkeiten analysiert das AMS-Team die Verordnungen und überprüft stichprobenartig die Antibiotikaverordnungen in einer Abteilung. Die gewonnenen Erkenntnisse werden mit den Abteilungsärzten offen diskutiert und es wird gemeinsam überlegt, ob und wo Handlungsbedarf besteht. Hier unterstützt das AMS-Team bei der Erstellung abteilungsspezifischer Leitlinien und schult das Personal in deren Umsetzung.
Eine der Kernaufgaben des AMS besteht in der Entwicklung und Implementierung lokaler Behandlungspfade. Ziel ist es, auf Grundlage von klinischen, mikrobiologischen und anderen diagnostischen Befunden eine gezielte antimikrobielle Therapie durchzuführen und den nicht indizierten Einsatz von Antibiotika zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund hat das AMS-Team der Uniklinik Köln, gemeinsam mit der Herzchirurgie, einen Behandlungspfad zur postoperativen Inflammation nach Herz-Thorax-Chirurgie entwickelt. Hiermit soll eine gezielte Therapie auf der Basis mikrobiologischer Diagnostik gefördert, der Einsatz von Breitspektrumantibiotika fokussiert und Antibiotikatherapien möglichst kurz und sicher gestaltet werden. Der Behandlungspfad steht allen Mitarbeitenden über das im Intranet erreichbare Antibiotika-Buch der Uniklinik Köln zur Verfügung.
Neben der Analyse lokaler Antibiotikaverbrauchs- und Resistenzraten und der Entwicklung lokaler Behandlungsleitlinien führt das AMS-Team wissenschaftliche Erhebungen zum Einsatz von Antibiotika und dessen Auswirkungen auf Krankenhaus-assoziierte Infektionen durch.
Aktuell durchgeführte Studien:
- ABSOLUTE (Antibiotic Stewardship and Infection Control in Patients at High Risk of Developing Infection by Clostridium difficile, Vancomycin-resistant Enterococci or Multidrug-resistant Gram-Negatives): multizentrische Studie zum Einfluss von Hygienemaßnahmen in Kombination mit gezieltem Antibiotikaeinsatz auf das Auftreten von Clostridium difficile assoziierten Infektionen und Infektionen durch andere Gram-negative multiresistente Erreger
- AEGON (Untersuchung des Einflusses von Antibiotikaexposition und Infektionskontrollmaßnahmen auf die Verbreitung von Vancomycin-resistenten Enterococcus faecium (VREf)): Untersuchung intensivierter Infektionskontroll- und Antibiotic-Stewardship-Maßnahmen zur Verringerung des Auftretens von Infektionen durch VRE
- TIARA (Auswirkungen einer Kolonisierung mit multiresistenten Erregern bei komplexen chirurgischen Patientinnen und Patienten): Einfluss von Antibiotikaexposition nach großen Bauchoperationen auf den weiteren Krankheitsverlauf und das Auftreten von resistenten Erregern
- PILGRIM (Impact of Prescription Quality, Infection Control and Antimicrobial Stewardship on Gut Microbiota Domination by Healthcare-Associated Pathogens): Untersuchung zum Einfluss von Antibiotikatherapien auf die Darmflora
Darüber hinaus ist das AMS-Team der Uniklinik Köln Mitglied des AMS-Netzwerks Westdeutschland (AMS-West).
Publikationen
Jung N,Tometten L, Draenert R. Choosing Wisely internationally - helpful recommendations for antimicrobial stewardship! Infection. 2023 Feb 25. doi: 10.1007/s15010-023-02005-y. Epub ahead of print. PMID: 36840828.
Mehler K, Oberthür A, Yagdiran A, Butzer S, Jung N. Impact of a pediatric infectious
disease consultation service on timely step-down to oral antibiotic treatment for
bone and joint infections. Infection. 2022 Oct 6. doi: 10.1007/s15010-022-01934-4.
Epub ahead of print. PMID: 36201153.
Walker SV, Steffens B, Sander D, Wetsch WA. Implementation of Antibiotic
Stewardship Improves the Quality of Blood Culture Diagnostics at an Intensive Care
Unit of a University Hospital. J Clin Med. 2022 Jun 25;11(13):3675. doi:
10.3390/jcm11133675. PMID: 35806960; PMCID: PMC9267444