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31.07.2013

Personalisierte Medizin – was heißt das genau?

Moderne Möglichkeiten der Krebsbehandlung - Prof. Dr. Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter des Centrums für Integrierte Onkologie am Standort Köln, gibt einen Überblick

Individualisierte Krebstherapie, personalisierte Medizin, zielgerichtete Therapie – diese Begriffe beschreiben moderne Möglichkeiten der Krebsbehandlung. Was sie konkret bedeuten, erläutert Professor Dr. Jürgen Wolf, der Ärztlicher Leiter des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) Köln Bonn an der Uniklinik Köln.

In der Krebstherapie hat es in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte gegeben. Diese sind vor allem der sogenannten „personalisierten Medizin“ und der „zielgerichteten Therapie“ zu verdanken. Beide Bereiche sind eng miteinander verbunden, doch häufig kommt es zu Verwechslungen und Fehlinterpretationen, was zu Missverständnissen führt und manchmal falsche Hoffnungen weckt, so Prof. Wolf. Falsche Hoffnungen und Enttäuschungen könnten erklären, warum die Öffentlichkeit die moderne Krebsmedizin nicht wahrnimmt und die Medien die neuen Strategien im Kampf gegen Krebs oft kritisch und zum Teil sogar negativ darstellen. Die Bedeutung der neuen Strategien wird am besten deutlich, wenn man betrachtet, wie Krebstherapie früher betrieben wurde und zum Teil auch noch betrieben wird. Beispiel Lungenkrebs: „Wurde die Diagnose Lungenkrebs gestellt, so erhielten die Patienten eine Chemotherapie, um die Tumorzellen im Körper zu eliminieren“, erläutert Wolf. Die Behandlung erfolgte unselektioniert, das heißt praktisch alle Lungenkrebs-Patienten erhielten die gleiche Behandlung. Bei rund 20 Prozent der Patienten schrumpft der Tumor dadurch, 80 Prozent aber haben keinen realen Nutzen von der Maßnahme.

Zielgerichtete Therapie: Wachstumssignale gezielt hemmen

Wissenschaftler forschen schon lange intensiv an Strategien, mit denen sich schon vor Behandlungsbeginn erkennen lässt, welcher Patient gut auf die geplante Therapie ansprechen wird und welcher nicht. Parallel zu diesen Bemühungen gab es laut Wolf Fortschritte bei der Entwicklung neuer Arzneimittel, deren neue Wirkstoffe es zunehmend ermöglichten, gezielt die Wachstumssignale in den Tumorzellen zu unterdrücken. Diese neue Therapierichtung bezeichnete man als „Targeted Therapy“, also als zielgerichtete Therapie. Einzug in die Krebsmedizin hielt die neue Strategie um die Jahrhundertwende und entwickelte sich seitdem bei vielen Tumorarten neben Operation, Strahlenbehandlung und Chemotherapie zu einer vierten Säule der Krebstherapie. Vertreter dieser neuen Richtung sind etwa Antikörper, aber auch verschiedene andere Wirkstoffe. Die Wirkstoffe der zielgerichteten Therapie kamen zunächst wie auch die Chemotherapie unselektioniert zum Einsatz, praktisch alle Patienten mit einem bestimmten Tumor erhielten den gleichen Wirkstoff. Die Ergebnisse waren enttäuschend: „Die Erfolge der Behandlung waren kaum besser als bei der herkömmlichen Chemotherapie“, berichtet Prof. Wolf. So zeigte sich in den klinischen Studien zum Beispiel beim Lungenkrebs eine Verlängerung der Lebenszeit der Patienten um durchschnittlich zwei Monate durch die neuen Medikamente, ein Ergebnis, mit dem die Krebsmediziner keineswegs zufrieden waren.

Personalisierte Medizin: Die zielgerichtete Therapie richtig nutzen

Den Durchbruch brachte letztlich das Zusammenführen der beiden Entwicklungen: „Wir verstehen die Biologie der Tumore immer besser und können damit auch die zielgerichtete Therapie gezielter einsetzen“, so Prof. Wolf. Mit anderen Worten: Die Forschungsbemühungen zeigten, dass die Krebsentwicklung durch bestimmte Mutationen in den Zellen bedingt ist und das Krebswachstum bei Tumoren unterschiedlich abläuft. „Wir haben die zugrundeliegenden Mechanismen besser verstanden und gesehen, dass bei den einzelnen Patienten ganz unterschiedliche Mutationen für das Krebswachstum verantwortlich sein können“, erklärt der Onkologe. Es gelingt nach seinen Worten zunehmend, die jeweiligen Mutationen zu charakterisieren und bei den betroffenen Patienten sogenannte „Treibermutationen“ zu identifizieren, also ganz konkret jene Wachstumssignale dingfest zu machen, die im individuellen Fall das Fortschreiten der Krebserkrankung verursachen. Damit war laut Prof. Wolf der Weg zur personalisierten Medizin und somit zur individualisierten Krebstherapie gebahnt. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass eine bestimmte Mutation nur bei zwölf Prozent der Patienten mit Lungenkrebs vorliegt. „Werden nur diese Patienten mit dem entsprechenden Wachstumssignal-Hemmer behandelt, so können wir nunmehr die Lebenserwartung der Betroffenen um Jahre verlängern“, so der Mediziner. Der Schlüssel für diesen Fortschritt: Vor Behandlungsbeginn untersuchen Mediziner durch eine sogenannte Mutationsanalyse, welche Wachstumssignale im individuellen Fall die Krebserkrankung vorantreiben. Ist dies klar, so kann oftmals ganz konkret diese krankhafte Signalgebung unterbrochen und damit das Tumorwachstum gehemmt werden. „Das ist personalisierte Therapie“, betont Prof. Wolf.

Autor: Christine Vetter

Der Beitrag wurde der <link fileadmin user_upload pat_bes newsletter_lebenswert jlw_2013_3.pdf pdf-link file>Ausgabe 3/13 des LebensWert Journals entnommen.