Genomische Sequenzierungen werden zunehmend in der Diagnostik seltener Erkrankungen und bei der Therapieführung onkologischer Erkrankungen eingesetzt – auch an der Uniklinik Köln. Im Rahmen der nationalen genomDE-Strategie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) werden erstmals alle relevanten Akteure – von Universitätskliniken über Krankenkassen bis zu Patientenorganisationen – in einer gemeinsamen Struktur vereint. Ziel ist es, die bisherige Fragmentierung des Gesundheitssystems zu überwinden und genomische Medizin nachhaltig in die Regelversorgung zu integrieren. In einer Publikation in „Nature Medicine“ im Oktober 2025 wurde – unter Mitwirkung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Uniklinik Köln – der Status des Projektes zusammengefasst.
Das Modellprojekt genomDE startete 2024 und konzentriert sich auf drei Bereiche: seltene genetische Erkrankungen, erbliche Krebsprädisposition und fortgeschrittene Krebserkrankungen mit begrenzten Therapieoptionen. Es ist rechtlich als Modellprojekt verankert, wodurch die Kosten für Sequenzierungen und Datenmanagement von gesetzlichen und privaten Krankenkassen erstattet werden. Alle 28 beteiligten Universitätskliniken – darunter die Uniklinik Köln – führen die Untersuchungen nach standardisierten Qualitätskriterien durch. Bis Juli 2025 wurden über 5.000 Patientinnen und Patienten in das Projekt eingeschlossen, 55 Prozent mit seltenen Erkrankungen und 45 Prozent mit onkologischen Erkrankungen. In 65 Prozent der Fälle kam eine Ganzgenomsequenzierung zum Einsatz. Erste Betroffene erhielten bereits präzisere Diagnosen und molekular basierte Therapien oder Präventionsstrategien.
Die technische Dateninfrastruktur – entwickelt unter Federführung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – ermöglicht die sichere, föderierte Speicherung und Verknüpfung von klinischen und genomischen Daten. Dabei sorgen mehrstufige Verschlüsselungsverfahren und die Einbindung des Robert Koch-Instituts als vertrauenswürdige Drittinstanz für höchsten Datenschutz. Die Dateninfrastruktur bildet zugleich die Grundlage für die Anbindung an den European Health Data Space und internationale Initiativen wie 1+ Million Genomes.
Univ.-Prof. Rita Schmutzler, Sprecherin des Deutschen Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, unterstreicht die Bedeutung des Projektes: „genomDE markiert einen entscheidenden Schritt hin zur systematischen Nutzung genomischer Daten für Präzisionsmedizin in Deutschland.“ Auch Univ.-Prof. Jürgen Wolf, Sprecher des nationalen Netzwerks Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs, betont: „Durch die enge Verzahnung von Klinik, Forschung und digitalen Strukturen entsteht erstmals ein bundesweites Modell für molekulare Krebsmedizin in der Regelversorgung.“ Sowohl das Konsortium wie auch nNGM waren an den Arbeiten zur Publikation beteiligt.
Das genomDE MP soll bis 2029 hinsichtlich Datenqualität, klinischem Nutzen und Wirtschaftlichkeit evaluiert werden. Langfristig ist geplant, über 100.000 Patientinnen und Patienten einzuschließen. Damit wird genomDE zum zentralen Baustein einer wissensgenerierenden Gesundheitsversorgung – und zu einem Meilenstein für die Genommedizin in Deutschland und Europa
Publikation:
Till, A., Siddiqui, R.A., Altbürger, C. et al. Germany’s national genomDE strategy.
Nat Med (2025). doi.org/10.1038/s41591-025-03991-2
