Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Brunhilde Wirth, Institut für Humangenetik an der Uniklinik Köln und Zentrum für Molekulare Medizin Köln (ZMMK), hat Mutationen im VAMP1 Gen als Ursache einer neuen Art des angeborenen Myasthenie-Syndroms identifiziert. Die Arbeit wurde Anfang März 2017 in dem international renommierten Journal Annals of Neurology veröffentlicht.
„Myasthenie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet muskuläre Schwäche. Die von dieser Krankheit betroffenen Menschen zeigen Beeinträchtigungen der muskulären Kontraktion und in Folge dessen, muskuläre Schwäche. Die am stärksten betroffene Struktur ist die neuromuskuläre Synapse, welche die größte Synapse in unserem Körper ist. Sie ist eine hochspezialisierte Verbindung zwischen dem Nervensystem und den Muskeln.
Elektrische Impulse des Nervs lösen die Freisetzung chemischer Neurotransmitter aus Vesikeln in den synaptischen Spalt aus. Diese Moleküle können dann spezifische muskuläre Rezeptoren binden, was zur muskulären Kontraktion führt. Die Störung dieses kritischen Prozesses führt zur Myasthenie.
Der PhD Student Andrea Delle Vedove und Dr. Markus Storbeck aus der Forschungsgruppe von Prof. Wirth haben in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Prof. Henry Houlden vom Departement für Molekulare Neurowissenschaft, University College London, Mutationen im VAMP1 Gen bei Menschen mit Myasthenie-Syndrom identifiziert. Durch Whole Genome Sequencing wurde VAMP1 als krankheitsverursachendes Gen identifiziert. Bereits in den frühen Phasen des Projekts tauschten die beiden Gruppen ihre Daten aus, was letztlich zum Erfolg dieses Forschungsansatzes beitrug.
Von der aufgeschlossenen Zusammenarbeit beider Gruppen können Menschen mit dieser seltenen Krankheit direkt profitieren. Denn es gibt bereits ein Medikament, das in anderen Typen von Myasthenie-Syndromen effektiv ist. Alle Patienten verbesserten ihren Zustand unter der Therapie.
VAMP1 ist essentiell für das Andocken von synaptischen Vesikeln an die Plasmamembran, um den Neurotransmitter Acetylcholin auszuschütten und die muskuläre Kontraktion zu veranlassen. Der Verlust von VAMP1 verursacht verminderte muskuläre Stimulation und schwächere Kontraktion. Modellorganismen, denen VAMP1 fehlt, zeigten einen fortschreitenden Mangel an Bewegungen, der zu einem vorzeitigen Tod führte.
Beide Gruppen nehmen am großen europäischen Forschungsprogramm NeurOmics teil, das die Identifizierung von mindestens 100 neuen neuromuskulären und neurodegenerativen Krankeitsgenen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren anstrebt.
Originalpublikation:
Salpietro V*, Lin W*, Delle Vedove A*, Storbeck M, Liu Y, Efthymiou S, Manole A, Wiethoff S, Ye Q, Saggar A, McElreavey K, Krishnakumar S, Pitt M, Bello O, Rothman JE, Basel-Vanagaite L, Hubshman MW, Aharoni S, Manzur AY, Wirth B#, Houlden H#. Homozygous mutations in VAMP1 cause a presynaptic congenital myasthenic syndrome. Ann Neurol, 2017 Mar 2. DOI: 10.1002/ana.24905.
* gleichermaßen beitragende Autoren, # gleichermaßen Seniorautoren