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17.05.2024 Kardiologie

„Viele Betroffene sind sich ihres Bluthochdrucks gar nicht bewusst“

Interview zu Welthypertonietag mit Prof. Halbach

Prof. Dr. Marcel Halbach, Foto: Melanie Mann

Das Motto des Welthypertonietages am 17. Mai lautet: Messen Sie Ihren Blutdruck richtig, kontrollieren Sie ihn und leben (dadurch) länger! Im Interview erklärt Prof. Dr. Marcel Halbach vom Herzzentrum der Uniklinik Köln deshalb, wie der Blutdruck richtig kontrolliert wird. Außerdem spricht der Leiter der kardiologischen Hypertonieambulanz über Ursachen, Prävention und Behandlungsmöglichkeiten.

Welcher Blutdruck ist normal und ab wann spricht man von Bluthochdruck?

Prof. Halbach: Ein Bluthochdruck liegt ab 140/90 mmHg vor – dabei reicht es, wenn einer der Werte überschritten wird. Bereits ab 130/85 mmHg spricht man von einem hochnormalen Blutdruck. Diese Werte beziehen sich auf Messungen in der Praxis. Wenn der Blutdruck zu Hause gemessen wird, liegt bereits ab 135/85 mmHg ein Bluthochdruck vor, da die Werte in der häuslichen Messung üblicherweise etwas geringer ausfallen als in der Praxismessung.

Unterscheiden sich diese Werte je nach Alter?

Prof. Halbach: Die Definition des Bluthochdrucks gilt für alle Erwachsenen. Bei Patientinnen und Patienten über 80 Jahren kann man allerdings erwägen, eine medikamentöse Therapie erst ab einem systolischen Blutdruck von 160 mmHg zu beginnen, vor allem wenn sie sehr gebrechlich sind.

Welche Symptome verursacht Bluthochdruck?

Prof. Halbach: In den meisten Fällen verursacht der erhöhte Blutdruck keine Symptome, das macht diese Erkrankung noch gefährlicher und führt dazu, dass sich viele Betroffene gar nicht des erhöhten Blutdruckes bewusst sind. Manchmal treten unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen auf. Bei akut sehr stark erhöhtem Blutdruck – wir sprechen von einem hypertensiven Notfall – kann es auch zu Brustschmerzen, Luftnot oder neurologischen Beschwerden bis hin zum Koma kommen.

Warum ist Bluthochdruck so gefährlich?

Prof. Halbach: Der hohe Druck in den arteriellen Blutgefäßen kann langfristig zur Verengung der Gefäße führen und zur Schädigung wichtiger Organe. Bluthochdruck ist zum Beispiel einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung einer Herzschwäche, eines Schlaganfalls, eines Herzinfarktes und eine Nierenschwäche. Damit trägt Bluthochdruck letztlich entscheidend zur Sterblichkeit in Deutschland bei.

Was sind häufige Ursachen für Bluthochdruck?

Prof. Halbach: In den meisten Fällen ist der Bluthochdruck eine eigenständige Erkrankung, die zum Beispiel durch Übergewicht verstärkt werden kann. Bei weniger als 10 Prozent der Betroffenen liegt dem Bluthochdruck eine andere Erkrankung zugrunde, zum Beispiel Hormonstörungen, Schädigungen der Nieren oder Atemaussetzer im Schlaf. Diese anderen Erkrankungen sollten beispielsweise abgeklärt werden, wenn der Blutdruck trotz einer Behandlung mit drei Blutdrucksenkern noch nicht im Zielbereich liegt.

Wie viele Menschen in Deutschland sind betroffen? Gibt es Dunkelziffern?

Prof. Halbach: In Deutschland sind circa 30 Prozent der 30 bis 80-Jährigen betroffen, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen und die Häufigkeit entscheidend vom Alter abhängt. Man kann sich grob merken, dass circa 50 Prozent der 50-Jährigen und 70 Prozent der 70-Jährigen Bluthochdruck haben. Dieser ist jedoch nur in etwa 2/3 der Fälle bekannt, das andere 1/3 weiß gar nichts von dem erhöhten Blutdruck. Zudem wird bei weniger als der Hälfte der Betroffenen unter einer Therapie der Zielblutdruck erreicht. Es bleibt also viel zu tun, sowohl bei der Verbesserung der Diagnose des Bluthochdrucks als auch bei der konsequenten Therapie.

Warum ist es so wichtig, seinen Blutdruck im Auge zu behalten?

Prof. Halbach: Ohne regelmäßige Messungen des Blutdrucks kann die Erkrankung nicht festgestellt werden, da nur selten Symptome auftreten. Wie gesagt, nimmt die Häufigkeit mit dem Alter zu, sodass auch bei zuvor normalem oder sogar niedrigem Blutdruck im Laufe des Lebens ein Bluthochdruck entstehen kann. Daher sollte auch bei Gesunden, spätestens ab dem Alter von 40 Jahren, der Blutdruck kontrolliert werden. Wenn ein Bluthochdruck einmal diagnostiziert ist, ist ebenfalls eine regelmäßige Kontrolle erforderlich, um sicherzustellen, dass die Therapie den Blutdruck effektiv senkt. Es kann durchaus sein, dass ein zunächst gut eingestellter Blutdruck im Verlauf erneut ansteigt und eine Ausweitung der Medikation erforderlich ist.

Wie misst man richtig Blutdruck? Analog versus digitale Geräte, was ist genauer?

Prof. Halbach: Am besten nutzt man ein Gerät mit einer für den Armumfang geeigneten Oberarm-Manschette, das automatisch misst. Bei Messungen zu Hause sollten immer zwei Messungen gemacht werden und der Mittelwert beider Messungen gebildet werden. Dies sollte man morgens vor Einnahme der Medikation und abends machen. Ganz wichtig ist, dass der Blutdruck in Ruhe gemessen werden sollte, das heißt nach drei bis fünf Minuten Sitzen. Die ersten Messungen sollte man an beiden Armen machen und im Verlauf an dem Arm messen, an dem der Blutdruck höher ist, falls es einen Seitenunterschied gibt. Wenn man keinen Bluthochdruck hat, reicht es in der Regel aus, den Blutdruck einmal im Jahr zu kontrollieren. Wenn man Bluthochdruck hat, sollte an mindestens zwei Tagen pro Monat, besser noch zweimal pro Woche, gemessen werden. Man muss aber nicht jeden Tag den Blutdruck kontrollieren.

Wenn man sich den Blutdruck nur in der Arztpraxis messen lässt, ist es zudem wichtig, zu erfassen, ob der Blutdruck im häuslichen Umfeld vergleichbar ist. Dafür führen wir zum Beispiel Langzeit-Blutdruckmessungen durch oder empfehlen Heimmessungen. Wenn der Blutdruck zu Hause normal ist und nur in der Praxis erhöht, sprechen wir von einer sogenannten Weißkittel-Hypertonie durch die Aufregung beim Arztbesuch. Es gibt aber auch Fälle, in denen der Blutdruck zu Hause sogar höher ist und in der Arztpraxis normal, dann sprechen wir von einer maskierten Hypertonie.

Wie kann man Bluthochdruck vorbeugen?

Prof. Halbach: Unser Lebensstil hat einen wichtigen Einfluss auf den Blutdruck. Eine Gewichtsabnahme bei Übergewicht, regelmäßige körperliche Aktivität, also an fünf Tagen pro Woche 30 Minuten rasches Gehen oder andere sportliche Aktivitäten, eine salzarme Ernährung, möglichst wenig Alkohol und Rauchstopp können der Entwicklung eines Bluthochdrucks vorbeugen. Manchmal trägt auch Stress zur Erhöhung des Blutdrucks bei, dann können Entspannungstechniken wie Autogenes Training helfen.

Wie wird Bluthochdruck meistens behandelt?

Prof. Halbach: Die Optimierung des Lebensstils ist die Basis der Therapie und hat bei konsequenter Umsetzung etwa die Wirkung eines Blutdruck-Medikaments. In den meisten Fällen ist aber zusätzlich eine medikamentöse Therapie notwendig. Da sehr häufig zwei oder sogar drei verschiedene Blutdrucksenker für eine gute Blutdruckeinstellung erforderlich sind, wird mittlerweile empfohlen, bereits zu Beginn der Therapie zwei Medikamente zu kombinieren. Am besten erfolgt das in einer sogenannten Fixkombination, bei der beide Medikamente in einer Tablette zusammen verarbeitet sind, dann muss man nur einmal am Tag eine einzige Tablette einnehmen und erreicht trotzdem eine sehr gute Blutdrucksenkung. Es gibt sogar Fixkombinationen mit drei verschiedenen Blutdrucksenkern in einer Tablette.

Wann muss Bluthochdruck im Krankenhaus behandelt werden?

Prof. Halbach: Wenn der Blutdruck akut entgleist, zum Beispiel über 180/110 mmHg, und dabei Beschwerden wie starke Kopfschmerzen, Sehstörungen, Brustschmerzen oder Luftnot auftreten, dann sprechen wir von einem hypertensiven Notfall, der, wie das Wort schon sagt, notfallmäßig im Krankenhaus behandelt werden muss. Bei einem chronischen Bluthochdruck ist in der Regel eine ambulante Therapie ausreichend, erfordert aber manchmal engmaschige Untersuchungen und sollte immer ernst genommen werden.

Welche Patienten benötigen ein spezialisiertes Hypertoniezentrum und welche besonderen Behandlungsmöglichkeiten werden den Patienten hier geboten?

Prof. Halbach: Ein auf die Abklärung und Behandlung von Bluthochdruck spezialisiertes Zentrum kommt vor allem dann ins Spiel, wenn der Blutdruck trotz der Einnahme von drei Medikamenten nicht im Zielbereich liegt. Zudem werden uns häufig sehr junge Patientinnen und Patienten oder solche mit vielen Unverträglichkeiten der Medikation vorgestellt. Wir haben viel Erfahrung mit der Abklärung und Behandlung in diesen komplexen Situationen. Wir klären dann zum Beispiel ab, ob Hormonstörungen oder Erkrankungen der Nieren vorliegen und ob die Medikamente auch im Blut nachweisbar sind. Dafür bedarf es einer zum Teil komplexen Diagnostik und Befundinterpretation und der Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen, die im niedergelassenen Bereich nicht so leicht zu realisieren ist. In der Kardiologie arbeiten wir dabei sehr eng mit der Nephrologie, Endokrinologie und Radiologie zusammen und bilden gemeinsam das Hypertoniezentrum. Therapeutisch bieten wir neben einer Optimierung der medikamentösen Therapie, die in den meisten Fällen bereits ausreicht, um den zuvor nicht eingestellten Blutdruck besser einzustellen, auch sogenannte interventionelle Verfahren an. Zum Beispiel kann mit einem Katheter-Eingriff an den Nierenarterien, der renalen Denervation, ein Bluthochdruck langfristig gebessert werden. In ganz schweren Fällen bauen wir auch einen „Blutdruck-Schrittmacher“ ein, der Fachbegriff lautet Barostimulator, der Nervenzellen an der Halsschlagader stimuliert, die für die Blutdruckregulation und -senkung wichtig sind.